El Aviso – Enero 2021 (en alemán)

EL AVISO | 01/2021

Christiane Sternberg,
Fotos Marcos Gittis

 

Antonio Morales hat in seinem Leben viele Gitarren gebaut. Eine davon hat Weltruhm erlangt. Für den Großmeister der Flamenco-Gitarre, Paco de Lucia, fertigte er „La Maestro“. Ziemlich unscheinbar versteckt sich eine musikalische Institution in Palmas Viertel Pere Garau. Zwischen Hauseingängen und Garageneinfahrten eingezwängt, ist die Gitarrenwerkstatt von Antonio Morales dennoch ein Anziehungspunkt für Musiker aus aller Welt. Kein Leuchtschild, keine Reklame weist darauf hin, dass in diesen Räumen ein Mann mit goldenen Händen ein Instrument für den Großmeister der Flamenco-Gitarre kreierte. La Maestro hieß die Gitarre aus Antonio Morales’ Werkstatt, die er Paco de Lucia sozusagen auf den Leib geschneidert hat. Der Mann mit den goldenen Händen Das bescheidene Ambiente der Gitarrenwerkstatt passt zu Antonios Auftreten. Er macht nicht viel Wind darum, dass er mit Paco befreundet war, aber stolz ist er schon darauf. Die Stellwände, die den großen Raum aufteilen, sind vollgepinnt mit Artikeln über ihn und seine Handwerkskunst, mit Fotos, die ihn an der Seite von bekannten Musikern zeigen. Auf einem hält Paul McCartney die Replik einer La Maestro in den Händen, die er von seinem Studiomanagement geschenkt bekam. Auch Suzi Quatro hat in der Werkstatt schon für ein Fernsehteam posiert. „Als Jugendlicher habe ich die Rock-Queen angehimmelt, und dann sitzt sie hier bei mir“, erzählt er kopfschüttelnd, als könnte er es immer noch nicht fassen. Seine Erzählungen sind ein Füllhorn charmanter Anekdoten. Vor 30 Jahren die erste Gitarre Während er spricht, werkeln seine Hände an dem Gitarrenhals, deren Gri. brett er gerade mit einem winzigen Hobel glättet. „Gitarrenbau ist eine magische Welt aus Proportionen und Klängen“, beschreibt er die Mischung aus Kunst und Handwerk, die es ihm angetan hat. Die Souveränität beim Instrumentenbau, wo es nicht nur aufs Design, sondern ebenso auf Klangfarbe und perfekte Gri. gkeit ankommt, studierte er bei einem der besten Gitarrenbauer Mallorcas in Palma. Sein Meister war der Amerikaner George Bowden, der ihn zwei Jahre lang zappeln ließ, bevor er ihm gestattete, in seiner Werkstatt als Lehrling einzusteigen. „Diese Wartezeit auf die Zusage war so eine Art Glaubenstest, ein spiritueller Weg für mich. Der Meister wollte wohl wissen, wie tief die Leidenschaft bei mir sitzt, wie schnell ich die Geduld verlieren würde.“ Am 7. Januar vor genau 30 Jahren hängte Antonio seine bisherige Tätigkeit als Möbeltischler an den Nagel, widmete sich fortan dem Instrumentenbau und stellte schon ein halbes Jahr später seine erste eigene Gitarre her. Die heutige Werkstatt war damals die Musikalienhandlung seines Lehrers, „Bowden Musical“ ein musikalischer Fixpunkt für Einheimische und Besucher der Insel. „Noch heute kommen Konzertgitarristen vorbei, die das Geschäft aus ihrer Kindheit kennen“, erzählt Antonio. Vor 17 Jahren starb George Bowden und Antonio Morales kaufte den Laden. „Vielleicht gebe ich hier irgendwann Kurse, Anfragen gibt es genug“, sinniert er. „Aber dazu müsste ich alles umbauen, denn wenn schon Unterricht, dann richtig.“ Auch die historische Sammlung mallorquinischer Gitarren, von denen die älteste von 1813 stammt, soll dann endlich in einer Vitrine präsentiert werden. Seine Vorhaben haben gute Chancen, in die Tat umgesetzt zu werden, denn seit Sommer 2020 ist Antonio Morales pensioniert und das verscha. t ihm mehr Zeit für sein Hobby, wie er den Gitarrenbau ausdrücklich bezeichnet. Jahrzehnte hatte er als Personenschützer und Security- Mitarbeiter für die balearische Regierung gearbeitet. „Man kann sich nur die Leidenschaft für etwas erhalten, das man nicht zum Broterwerb tun muss“, fi ndet er. Pro Jahr entstehen so auch nur zwölf Gitarren. Zu jedem einzelnen Musiker, dem er eine Morales- Gitarre anfertigt, hält er privaten Kontakt. Die engste Die Gitarre seines Lebens Beziehung aber pfl egte er zu Paco de Lucia. Tertulia zu Ehren von Paco Kennengelernt hatte er den Musiker vor 12 Jahren bei einem von einem gemeinsamen Freund vermittelten Tischler-Job. Paco sprach ihn auf seine Instrumente an. „Du baust doch Gitarren, oder? Bring mal eine mit.“ Antonio hebt die Hände wie zum Schwur. „Ich habe ihm nichts aufgedrängt. Er bekam ja damals von allen möglichen Leuten Gitarren zugeschickt. Die haben wir dann zusammen analysiert, während er sie ausprobierte, und am Ende haben wir gemeinsam eine Gitarre entworfen, die ich exakt nach seinen Wünschen und Maßen bauen konnte – so entstand die La Maestro.“ Antonio Morales war der letzte Gitarrenbauer, der für Paco de Lucia gearbeitet hat. Zu dessen Lebzeiten saßen sie oft mit Freunden in Antonios Werkstatt zusammen, fachsimpelten, machten Musik, hatten Spaß. Diese Tradition setzte sich auch nach Pacos Tod 2014 fort und wird ho. entlich nach den Corona- Beschränkungen wieder aufgenommen. Denn viele Musiker lassen es sich nicht nehmen, zu so einer Tertulia in der Werkstatt vorbei zu schauen. Alles in Handarbeit Den Forschergeist für die Suche nach dem perfekten Instrument schaute sich Antonio bei seinem Meister George Bowden ab. Der ließ besondere Gitarren röntgen, um anhand der Bilder hinter das Geheimnis ihrer Besonderheiten zu kommen. Antonio selbst fotografi erte meisterhafte Gitarren von innen, um ihren Aufbau zu studieren. Als Holz für die Decke verwendet er kanadische Zeder oder Tanne, die Rückseiten und Zargen werden aus Zypresse oder Palo Santo gemacht. Zum Fixieren der geleimten Teile für den Boden bindet er sie mit einem zweifach gefl ochtenen Seil zusammen und spannt sie mit Holzkeilen. Die leicht schwingbare Decke wird mit strahlenförmig angeordneten Streben gefestigt, für deren Verleimung in einer Holzkonstruktion mittels aufgespannter Leisten der nötige Druck aufgebaut wird. Nichts läuft hier maschinell ab. Antonio schwört auf die alte Bauweise, die er bei Meister Bowden gelernt hat. „Es sieht romantisch aus, aber es funktioniert so tatsächlich am besten.“ Drei Löcher als Markenzeichen Wer wissen will, ob er eine echte Morales vor sich hat, muss sich nur den Gitarrenkopf anschauen. Die drei versetzten Löcher im Holz, ein stilisiertes Kreuz, sind sein Markenzeichen. Detaillierte Kenntnisse, jahrzehntelange Erfahrung, exaktes Arbeiten und ein Gefühl für Proportionen sind die Basis, auf der die Meistergitarren entstehen. Und doch, sagt Antonio, sei jedes Instrument eine Überraschung. „Du kannst nie vorher sagen, ob sie dir gelingt. Erst wenn sie fertig ist, weißt du, ob sie besser oder schlechter geworden ist als erwartet. Der alte Meister hat immer gesagt: Die nächste Gitarre ist die beste. Ich sage, das Ideal einer Gitarre ist immer am Horizont.“ Und doch kommt Antonio Morales diesem Ideal sehr nahe. Für seine Verdienste wurde ihm 2016 die Goldmedaille der Stadt Palma verliehen. Internationale Bekanntheit erlangte die von ihm gebaute La Maestro spätestens mit dem Film „La guitarra vuela“. In der Dokumentation geht die letzte Gitarre für Paco de Lucia auf eine Tournee, die der Musiker wegen seines plötzlichen Todes selbst nicht mehr antreten konnte. Durch dreizehn Städte in neun Ländern führt die Reise und die Musiker, die sie spielen, zollen ihren Tribut damit dem toten Großmeister der Flamenco-Gitarre. Trotz aller Bekanntheit bleibt Antonio Morales ein bodenständiger Handwerker, den Großen ebenso verbunden wie den Kleinen. Für die Kindergartenkinder, die ihn manchmal besuchen, hat er Holzschablonen in Form einer Mini-Gitar-re vorbereitet, die sie in seiner Werkstatt bemalen können. So gibt er seine Liebe zu dem Instrument weiter an die übernächste Generation, damit vielleicht neue Meister der Gitarrenbaukunst in Palma heranwachsen.